Montag, 27. September 2010

Leseprobe dreizehn "Zweieinhalb Wochen"



»Du bist ein Zauberer«, flüstere ich. »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Warum ist es mit dir jedes Mal anders, so, als wäre es das erste Mal? Und gleichzeitig so intensiv, dass man am liebsten dabei sterben möchte?«
Er küsst mich sanft und streicht mir die Haare aus dem Gesicht.
»Es ist immer wie ein erstes Mal, wenn man jedes Mal neu anfängt, es anders sein lässt, je nach Situation; wenn man sich wirklich darauf einlässt, ohne Hemmungen, ohne Tabus und mit Hingabe, wenn man nur den Augenblick zählen lässt. Das betrifft meiner Meinung nach alles im Leben. Nicht nur Sex, aber den ganz besonders.«
»Das ist aber nicht einfach.«
»Warum? Hast du Angst? Angst, dich fallenzulassen? Oder hast du vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht?«
»Meine Erfahrungen sind meine Sache.«
»Sicher, das sind sie. Das geht mich auch nichts an.«
Er setzt sich auf: »Aber sie sollten dein Leben bereichern und es nicht einengen. Die Mauer, die du vielleicht schon um dich errichtet hast, wird dich zwar schützen, aber auch vom Leben fernhalten. Hast du Angst, sie einzureißen?«
Ich blicke zur Seite. Er fasst mir ans Kinn, zieht meinen Kopf herum.
»Vielleicht liege ich falsch, wer weiß. Vielleicht hast du es schon bemerkt und versucht, es zu ändern. Oder du hast es nicht bemerkt, weil Gewohnheit dich beherrscht hat – nein, ich denke, du hast es gemerkt und du hast intuitiv gewusst, dass du das, was du vielleicht suchst, aber nur unbewusst suchst, von mir bekommen kannst. Sonst wärest du jetzt nicht hier.«
Ich wende mich ab.
Die Glut verbreitet eine angenehme Wärme. Ich lege die Arme um meine angezogenen Beine und starre in den roten Schlund. Vielleicht hat er Recht? Wie hat er das erkannt? Na ja, ich hatte schon oft das Gefühl, dass er viel mehr als mein Äußeres wahrnimmt.
Er legt eine Hand auf meine Schulter.
»Dass du jetzt hier bist, kann vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung sein, ich weiß es nicht, denn ich kenne dein Leben nicht, und ich möchte mich auch nicht einmischen. Aber du hast dich zumindest getraut, mit mir zu gehen und an dich zu denken. An deine Bedürfnisse. Und mal für kurze Zeit alles hinter dir zu lassen.«
»Ich weiß nicht.« Ich greife nach seiner Hand: »Ich muss erst mal darüber nachdenken. Aber nicht jetzt. Zumindest profitierst du ja davon«, scherze ich. »Machst du das gerne? Lauerst du gerne einsamen, unzufriedenen Frauen auf und verführst sie?«
Er lacht laut auf: »Wie kommst du denn darauf? Ich weise jede Schuld von mir. Obwohl, vielleicht ist ja etwas dran? Möglich sogar. Kann sein, dass mich eine gewisse Traurigkeit anzieht. Ich versuche jedenfalls mein Bestes, diese Frauen wieder aufzumuntern.«
Er erkennt, dass er mich verletzt hat, und stoppt.
»Du solltest das alles, und besonders mich, nicht zu ernst nehmen. Du bist jetzt hier, du ganz allein. Denk nicht an etwas anderes, denk an die Zeit, die wir haben, sie ist ohnehin kurz. Würde es dir etwas ausmachen, eine Weile so sitzenzubleiben?«
Ich schüttele den Kopf.
Er hat Recht. Ich sollte gar nicht an etwas anderes denken, solange ich hier bin. Ich werde morgen daran denken. Nein, den morgigen Tag werde ich mir auch nicht verderben. Ich werde übermorgen daran denken. Oder irgendwann einmal.
Er verlässt das Zimmer, kommt wenig später mit einem Zeichenblock und einem Stift zurück. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen, denn er geht zu mir, verteilt meine Haare anders.
»So ist es gut. Bleib so, bitte.«
Eine Zeitlang schweben nur das raue Gleiten des Stiftes und das leise Knistern der Glut im Raum. Er sieht mich ganz anders an, deutlich erkenne ich jetzt die Neugier in seinen Augen, aber es ist eine weitaus distanziertere Neugier.
Schließlich greift er zum nächsten Blatt: »Leg dich hin!«
Verwundert schaue ich ihn an.
Er legt Feuerholz nach, tritt an mich, löst meine verschränkten Hände und streckt mich lang aus.
»Entspann dich. Nicht verkrampfen, bitte. Stütz deinen Kopf mit dem rechten Arm auf.«
Ich komme dem nach und winkele ein Bein leicht an.
»Genau richtig. Kannst du eine Weile so liegenbleiben? Ist es so bequem?«
Ich nicke.
Er zeichnet schnell. Das Feuer in meinem Rücken ist angenehm warm; ich bin ruhig, satt, zufrieden; ich denke nicht mehr. Nach einer Weile werde ich müde; er bemerkt es, holt ein Kissen und legt es mir unter den Kopf.
»Schlaf ruhig«, meint er, und ich lächele und schließe die Augen.

-  Ende Leseprobe dreizehn–

Zweieinhalb Wochen
Erotischer Roman, ISBN: 978-3-939970-01-9
© 2006 con dedizione, Verlag für Erotische Literatur, Köln
Vierte Auflage: September 2010

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