Montag, 6. September 2010

Leseprobe elf "Zweieinhalb Wochen"


Langsam lässt er mich los. Benommen ordne ich meine Sachen und sehe ihn dann ruhig an.
»Du hast gewusst, dass ich kommen würde. Ich kann jetzt unmöglich sofort zurückgehen.«
»Ich weiß«, antwortet er einfach und gibt meinen Blick genauso ruhig zurück: »Komm, setz dich.«
Er fasst mich bei den Händen und zieht mich auf den Boden. Eine Zeitlang rauchen wir schweigend, doch längst haben meine Gedanken erneut zu rasen begonnen.
»Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich nun tun soll«, murmele ich endlich. »Zurück kann ich nicht, nach dem, was geschehen ist. Ich kann aber auch nicht hierbleiben.«
»Du musst wissen, was du willst. Ich möchte mich da nicht einmischen.«
Ich schließe die Augen und sage nichts mehr. Meine Gedanken wandern zu meinem Mann, zu meinem Zuhause und zu meinem bisherigen Leben. So schlecht war es eigentlich nicht, auch wenn ein gewisses Feuer fehlte. Genau das ist es. Die Leidenschaft ist uns irgendwo abhanden gekommen, es ist langweilig geworden. Gab es sie jemals? Ich weiß es nicht, so wie mit ihm war es nie. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, gab es sie nie wirklich, nicht in diesem Ausmaß, in diesem Grad kenne ich sie gar nicht … Aber es ist nicht nur die Leidenschaft, die fehlt, P. ist kein sehr emotionaler Mensch. Und dieser Mann hat irgendetwas, was mich ausflippen lässt, eine Intensität, die mich unwiderstehlich anzieht. Er ist das genaue Gegenteil von P. Wenn ich mit ihm zusammen bin, kommt es mir vor, als lebte ich zum ersten Mal.
»Ich muss völlig von Sinnen sein … aber ich würde gerne noch etwas mit dir zusammen sein … ich weiß nicht…« Ich stocke und stoppe, schaue verlegen weg. »Nur wenn du willst und wenn es geht, natürlich«, füge ich leise hinzu.
»Ich denke schon, dass wir noch ein sehr schönes Wochenende miteinander verbringen könnten, ein sehr lustvolles Wochenende –«
Ich erröte und schaue zu Boden.
»Nur, willst du das wirklich? Bist du dir da ganz sicher?« Er fasst mich ans Kinn und sieht mich forschend an.
Zuerst versuche ich, seinen Augen auszuweichen, seinen unwiderstehlich blauen Augen, aber es ist zwecklos, denn dieses Blau, dieses faszinierend magische Blau lässt mich zusammen mit der berauschenden Vorstellung, so viel Zeit mit ihm verbringen zu können, kaum noch klar denken.
»Ja. Ich weiß nicht. Eigentlich möchte ich es –«
»Möchtest du es eigentlich oder möchtest du es wirklich?«, fragt er leicht belustigt, nimmt sich aber sofort zusammen: »Verzeih. Aber es ist dir ja klar, dass es nur für diese zwei Tage geht?«
»Ja, das ist o.k. so.« Kurz denke ich an die möglichen Konsequenzen, will sie mir aber nicht genauer ausmalen und wische sie energisch beiseite. Was danach kommt? Egal. Ich bin entschlossen, mir die Chance auf ein Abenteuer mit ihm nicht entgehen zu lassen. Solch eine Lust, die er mir macht … wer weiß, ob ich das so noch mal erleben werde.
»Aber nur unter einer Bedingung. Ich möchte nicht, dass uns einer meiner Bekannten sieht.« Ich seufze: »Wäre es doch schon dunkel. Dann wäre es einfacher, von hier zu verschwinden.«
»Wir können ja solange warten.«
»Das wird aber noch dauern.«
»Eigentlich ist es egal. Schließlich, was soll schon passieren? U. sitzt vielleicht noch an der Theke, aber die anderen sind ja zum Zelt gegangen. Sie können noch gar nicht wieder hier sein. Und wenn U. uns zusammen sieht, macht das gar nichts.«
Ich stehe auf. Vielleicht hat er ja auch schon ein Bier zu viel intus. Oder er erkennt mich nicht. Oder – ach, egal! Soll er uns doch sehen! Er kann meinetwegen denken, was er will. Ich fühle mich beschwingt wie ein Vogel, der über das Festivalgelände fliegt und allem frohen Herzens auf Wiedersehen sagt.
»So gefällst du mir schon viel besser«, raunt er mir zu und nimmt mich bei der Hand. Wir kehren zurück ins helle Sonnenlicht, zurück unter die Menschen.

Es ist voller geworden. Hand in Hand schlendern wir über das Festivalgelände. U. sitzt immer noch da; ich bin mir aber nicht sicher, ob er mich erkennt. Mit einer verrückt-übermütigen Geste winke ich ihm aus der Entfernung zu. Dann gehen wir weiter, Richtung Ausgang.
Drückende Hitze liegt über den Straßen der Stadt, in denen sich die Besucher durch die endlosen Reihen der Buden und Bühnen hindurchzwängen. Wir mischen uns unter die Menge.
»Ich habe Hunger«, erkläre ich, als wir erneut an einem Stand mit allerlei verführerischen Köstlichkeiten vorbeikommen.
»Worauf denn diesmal? Darf es vielleicht etwas Essbares sein?«
»Ab und zu brauche auch ich mal eine kleine Stärkung in Form von richtiger Nahrung«, scherze ich. »Um den Nachtisch können wir uns dann ja selber kümmern.«
»Und was stellst du dir da so vor?«
Ich erröte und sage nichts mehr.
Er streichelt mein Gesicht: »Du bist süß, wenn du verlegen bist. – Wir werden sehen, was du magst, später.«
Ich setze mich zurück, strecke die Beine aus und schließe die Augen. Ein wohliges Gefühl der Sättigung hat mich erfasst und ich genieße es, an ihn gelehnt in der Sonne zu sitzen. Die Geräusche des Festivals dringen gedämpft an meine Ohren, lassen mich schläfrig werden, und da fällt mir dieser alte, abgedroschene Spruch ein:
»Nach dem Essen sollst du rauchen oder tausend Meter laufen.«
Er lacht laut auf.
»Aber nach Laufen ist mir überhaupt nicht«, fahre ich fort, »also bleibt ja nur noch das andere.«
»Gibt es da nicht noch eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit?«
»Und die wäre? Ich kenne keine.«
Ich sehe ihn an und stelle fest, dass er an dasselbe denkt wie ich.
»Ich glaube, wir sind hier etwas öffentlich. Mit dem Gebrauchen warten wir wohl besser noch.« Er reicht mir eine Zigarette: »Kannst du denn noch warten, mein Liebes? Oder hast du es wieder eilig, so wie eben?«
»Nicht ganz so eilig, aber ich garantiere für nichts. Ist es denn noch weit?«
»Nein, das ist es nicht. In fünf Minuten sind wir da, wenn du willst.«
Eine Weile noch betrachten wir das bunte Treiben. Schließlich schnippe ich den Zigarettenstummel weg.
»Wollen wir gehen?«
Er nickt. Wieder nimmt er mich bei der Hand; jedoch schlendern wir diesmal nicht mehr herum. Zielstrebig führt er mich heraus aus dem Trubel in engere Straßen, bis wir endlich vor einem kleinen Haus am Ende einer Sackgasse ankommen.

-  Ende Leseprobe elf – 

Einen wunderschönen Tag wünsche ich Euch hiermit, und, bis morgen,
Pearl

Zweieinhalb Wochen
Erotischer Roman, ISBN: 978-3-939970-01-9
© 2006 con dedizione, Verlag für Erotische Literatur, Köln
Vierte Auflage: September 2010

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