Donnerstag, 30. September 2010

Leseprobe vierzehn "Zweieinhalb Wochen"


Als ich erwache, brauche ich einen Augenblick, bis ich weiß, wo ich mich befinde. Das Feuer ist heruntergebrannt, doch aus der Küche erhellt Licht das Wohnzimmer. Er sitzt im Sessel, hat den Block auf den Tisch gelegt und raucht.
»Wie lange habe ich geschlafen?«
»Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Ein paar Stunden vielleicht. Hast du gut geschlafen?«
Ich recke und strecke mich.
»Ja, ich fühle mich frisch. Was hast du gemacht?«
Der Tisch ist mit Blättern bedeckt. Ich schaue sie mir genauer an und erkenne Skizzen einer schönen, schlafenden Frau aus verschiedenen Perspektiven; mal ihren ganzen Körper, mal nur Einzelheiten.
»Das bin nicht ich«, murmele ich und lege das Blatt, das ich zuletzt in der Hand hatte, zurück.
»Meinst du, ich hatte in der Zwischenzeit anderen Besuch?«
Ich grinse: »Nein, natürlich nicht. Und wie wäre es mit einer Belohnung?«
»An was hattest du denn gedacht?«
»Ich weiß nicht, vielleicht ein heißes Bad? Oder eine Massage? Oder zur Abwechslung mal etwas zu essen?«
Er lacht laut auf: »Alles auf einmal? Oder hättest du es lieber in einer bestimmten Reihenfolge?«
»Wenn ich es so bedenke, wäre es gar nicht schlecht, erst mal etwas zu essen.«
Ich gehe in die Küche. Im Kühlschrank finde ich ein paar Flaschen Bier, einen halb vertrockneten Salat, ein Glas Honig, und unten in der Schublade liegt etwas eingepackt in Papier. Ich greife zum Honig, irgendwo wird ja wohl Brot sein, wende mich um und falle fast über ihn. Lautlos ist er mir gefolgt. Das Glas rutscht mir aus der Hand und zerbricht auf dem Boden.
»Mist! Hast du irgendwo einen Lappen?«
»Lass es liegen, du wirst dich schneiden«, bedeutet er mir stirnrunzelnd, doch ich hole mir ein Tuch von der Spüle und wische auf.
»Ich habe noch Steaks da, die kann ich uns braten.«
»Ist gut.« Achtlos wringe ich den Stoff aus. Doch dann passiert es: Ich schneide mich. Ich zucke zusammen, lasse das Tuch fallen. Blut quillt rasch aus einer Schnittwunde am Daumenballen und rinnt in den Abfluss.
»Zeig mal!« Er beugt sich über meine Hand und untersucht die Stelle. Ich will sie ihm schon entziehen, aber dann stockt mir der Atem, denn er leckt langsam und genüsslich das Blut ab.
»Du bist unmöglich!«
Er sieht zu mir auf und der Kontrast zwischen seinen blauen Augen und den blutverschmierten Lippen bringt mich vollends durcheinander. Eine schwache Ahnung an etwas Unbekanntes tief in mir, etwas Ursprüngliches, Wildes, ja, Animalisches erfasst mich und zieht mich in ihren Bann; ich zittere, ich bin fasziniert und kann nicht anders, ich muss mich diesen Lippen nähern, muss sie berühren, muss sie schmecken; sie sind süß und vermischen sich mit seinem Geruch, und wie entfesselt steigt Lust in mir auf.
»Dir scheint es aber auch zu schmecken.« Seine spöttische Stimme bringt mich zurück in die Wirklichkeit.
»Du weckst den Vampir in mir«, scherze ich mühsam. »Ich glaube, ich gehe jetzt duschen.«
»Warte, du hast da noch was.« Er streicht mir über den Mund. Ich sehe in seine jetzt unheimlich dunklen Augen, dann auf das Blut an seinen Fingern und küsse ihn flüchtig.
»Ich habe dich gewarnt«, lächele ich, »besser, du brätst die Steaks ganz durch.«

-  Ende Leseprobe vierzehn –

Viele Grüße, Pearl

Zweieinhalb Wochen
Erotischer Roman, ISBN: 978-3-939970-01-9
© 2006 con dedizione, Verlag für Erotische Literatur, Köln
Vierte Auflage: September 2010

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