Sonntag, 22. August 2010

Leseprobe drei: "Zweieinhalb Wochen"


Allmählich werden meine Schritte langsamer, meine Gedanken beruhigen sich etwas. Am liebsten wäre ich geblieben, ich hätte mich gerne weiter mit ihm unterhalten. Ob ich dann nicht eine Grenze überschritten hätte? Ich lache. Welche Grenze? So ein Quatsch! Er war doch nur eine Zufallsbekanntschaft. Ich gehe jetzt zum Zelt. Finito. Es ist spät.
Ich schlendere durch den ruhigen Ort. Nach einer Weile wird mir bewusst, dass ich ziellos herumlaufe. Eigentlich habe ich es nicht eilig, P. wird längst schlafen und die Nacht ist viel zu warm, um jetzt schon im Zelt zu verschwinden. Mir fällt der See ein, an dem wir nachmittags vorbeigekommen waren, und ich beschließe, ihn zu suchen.
Er liegt am Ortsrand, eingebettet in einen kleinen Park. Ich setze mich auf eine Bank am Ufer. Von fern unterbricht Hundegebell die Stille.
Eine Weile sitze ich da und betrachte die Spiegelung der Sterne auf der schwarz-glatten Wasserfläche. Die kommenden Tage versprechen interessant zu werden, denn die Veranstalter haben aufgeboten, was in der Folkszene Rang und Namen hat. Ich streife die Sandalen ab, gehe zum Wasser. Schmeichelnd streicht es um meine Beine. Ich hebe den Rock hoch, wate tiefer hinein. Mit einem raschen Rundumblick vergewissere ich mich, dass ich allein bin, ziehe Rock und Top aus und werfe beides ans Ufer. Langsam ertaste ich mit meinen Zehen den Sandboden, dann bin ich ganz im Wasser, hole tief Luft und schwimme hinaus. Es ist herrlich kühl und ich tauche mehrmals unter, um meine Haare auszuspülen. Nachdem ich eine Zeitlang geschwommen bin, schaue ich zurück und erschrecke.
Täusche ich mich oder ist da jemand? Ich schwimme in Richtung Ufer, bekomme festen Boden unter die Füße und reibe mir das Wasser aus den Augen. Ja, da ist jemand, jemand sitzt auf meiner Bank. Was mache ich denn jetzt? Zum Glück habe ich den Slip angelassen.
Ich nähere mich der Bank und halte den Atem an. Der Mann sieht meiner Zufallsbekanntschaft von vorhin sehr ähnlich. Verlegen blicke ich an mir herab. Wasser rinnt aus meinen langen Haaren über meinen nackten Oberkörper, ich fühle, wie ich rot werde. Entschlossen greife ich in die nasse Masse, bedecke mich damit und gehe schnellen Schrittes zur Bank. Es ist tatsächlich derselbe Mann. Er macht keinerlei Anstalten aufzustehen oder sich umzudrehen, sondern betrachtet mich amüsiert, die Arme um seine angezogenen Beine geschlungen. Das entfacht noch mehr meinen Unwillen.
»Macht es Ihnen Spaß, nachts auf Parkbänken Frauen aufzulauern?«
Abwehrend streckt er die Hände von sich.
»Es war bestimmt nicht meine Absicht, Ihnen hier aufzulauern«, beteuert er, »es ist reiner Zufall, dass ich hier bin. Ich kam vorbei und hörte Geräusche und da wollte ich nachsehen. War es erfrischend?«
Er grinst mich an, wirft mir meine Sachen zu. Unfähig, etwas zu erwidern, streife ich mein Top über.
So eine verrückte Situation! Ich könnte mich ja genauso gut wieder ausziehen, so schaut er mich an. Der Stoff klebt an meinem Oberkörper, ich hole die Haare darunter hervor, greife zum Rock.
»Es wird alles nass werden.« Er zieht sein T‑Shirt aus, reicht es mir: »Sie haben ja eine Gänsehaut, rubbeln Sie sich ab. Ein Handtuch habe ich nicht dabei, ich hatte nicht vor, schwimmen zu gehen.«
»Danke.« Erleichtert drehe ich mich zur Seite und trockne mich ab.
Dabei bemühe ich mich um einen gleichgültigeren Ton.
»Mir war eben so heiß –«
Ich suche nach unverfänglichen Worten: »Finden Sie das Wetter nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit?« Plötzlich bemerke ich den Geruch, der aus dem T‑Shirt kommt, und atme tief ein, um ihn genauer zu schmecken. Unbekannt, aber nicht unangenehm – ein kurzer Schwindel erfasst mich, ich setze mich auf die Bank.
»Ja, es ist im Moment sehr warm hier, wir haben so etwas lange nicht gehabt«, antwortet er leichthin. »Es sind ja auch Gewitter angesagt worden.«
Seine Nähe und die leise Stimme verwirren mich, eilig will ich ihm sein T‑Shirt zurückgeben.
»Leider ist es nass.«
»Aber das macht doch nichts. Es wird schnell trocknen. Und ich glaube auch nicht, dass ich mir heute Nacht eine Erkältung hole.« Es klingt voll, einschmeichelnd und verführerisch vibrierend, als er lacht.
Er nimmt mir das Kleidungsstück ab. Unsere Hände berühren sich, und es durchfährt mich wie ein elektrischer Schlag, der mich erzittern lässt. Er bemerkt es und hält meine Fingerspitzen fest.
»Ist Ihnen kalt?«
»Nein, schon gut, mir ist nicht kalt, im Gegenteil!« Ich entziehe ihm meine Hand.
»Sind Sie sich da wirklich sicher?«
Er fasst vorsichtig an mein Kinn.
Ich zucke zusammen. Mein Gott, diese Augen! Es kommt mir so vor, als wären sie in mir. Langsam nähern sich seine Lippen den meinen, berühren sie und ich halte still, denn ich spüre sie kaum, so leicht, so sanft, so behutsam sind sie, und als ich nicht reagiere, werden sie fordernder. Ein unbekannter Strudel erfasst mich, ich löse mich. Doch als ich erneut seinen Augen begegne, fragenden Augen, zärtlichen Augen, jetzt dunkel werdenden Augen, bin ich hilflos, hilflos dagegen, dass er mich an sich zieht und wieder küsst. Abermals nehme ich diesen Geruch wahr, ist es sein Geruch, ist es sein Schweiß, vermischt mit etwas anderem, Fremdem? Dann sein drängender Körper. Ich kann das nicht, unmöglich!
Ich denke nicht mehr.

 - Ende Leseprobe drei - 

Bis morgen, dann geht es weiter, Pearl


Zweieinhalb Wochen
Erotischer Roman, ISBN: 978-3-939970-01-9
© 2006 con dedizione, Verlag für Erotische Literatur, Köln
Vierte Auflage: September 2010

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